Eishockey
Nürnberg Ice Tigers stellten Stefan Ustorf als neuen Sportdirektor vor
Vorgänger Dietzsch soll Torwart-Trainer bleiben + beim EHC 80
Das kam dann doch etwas plötzlich, fast wie aus heiterem Himmel:
Am Freitag, den 12. März (= zwei Tage vor dem Heimspiel gegen den ERC Ingolstadt), teilten die Nürnberg Ice Tigers den Medien überraschend mit, dass „André Dietzsch mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben als Sportdirektor entbunden“ sei – mit dem nahtlosen Zusatz „seine Tätigkeit als Torwarttrainer ist von der Freistellung nicht betroffen“. Und es wurde eine Pressekonferenz angekündigt mit der Vorstellung des namentlich ungenannten Nachfolgers für Montag, den 15. März.
Am Sonntag, den 14. März, knapp drei Stunden vor Beginn des Gastspiels der Ingolstädter Panther in der „ARENA NÜRNBERGer Versicherung“, informierte Roman Horlamus in seiner Funktion als „Leiter der Geschäftsstelle sowie Medien- und PR-Manager“ per weiterer Pressemitteilung darüber, dass mit Stefan Ustorf einer der erfolgreichsten deutschen Eishockey-Spieler aller Zeiten neuer Sportdirektor der Nürnberg Ice Tigers wird.
Am Montag, den 15. März, kam es schließlich zur angekündigten persönlichen Vorstellung des mittlerweile 47-jährigen früheren Profis und ehemaligen Funktionärs der Berliner Eisbären. Beim deutschen Hauptstadt-Klub war Stefan Ustorf ab Juli 2014 Sportlicher Leiter und verantwortete neben seiner Tätigkeit als Scout für NHL-Klub Los Angeles Kings von Mitte 2017 bis Dezember 2019 zuletzt den Bereich Spieler-Entwicklung und -Sichtung. Daraus, dass die damalige Trennung (respektive Nicht-Verlängerung seines Vertrages über den Sommer 2020 hinaus) keineswegs in gegenseitigem Einverständnis erfolgte, machte der Betroffene übrigens kein Hehl.
Vater Peter als Vorbild und in Berlin als Vorgesetzter . . .
Manch älterem Eishockey-Freund ist der Name Ustorf auch vom Vater des jetzigen Sportdirektors der Ice Tigers ein Begriff. Peter Ustorf, geboren in Hamburg im April 1951 und damit inzwischen stolze 69 (bald sogar runde 70 …) Jahre, spielte ehemals für den damaligen Bundesligisten ESV Kaufbeuren und war später (ab Mitte bis Ende der 1970er Jahre) in Bremerhaven aktiv, wo er erst als Spieler und dann auch als (Spieler)Trainer beim Zweitligisten RSC in der dortigen Stadthalle mitverantwortlich war für einen regelrechten Eishockey-Boom an der Nordsee – inklusive Aufstieg 1978 in die 2. Bundesliga; womit bereits damals der Boden bereitet wurde für den jetzigen DEL-Klub Fischtown Pinguins Bremerhaven.
Sohn Stefan, geboren in der kreisfreien Stadt Kaufbeuren am nordöstlichen Rand des bayerischen Allgäus, hat es nun wieder Richtung Heimat verschlagen. In Nürnberg, nur wenige hundert Kilometer, also unweit vom Regierungsbezirk Schwaben (verglichen vor allem mit seinem einstigen Betätigungsfeld Nordamerika), soll der einstige Eishockey-Crack, der 2016 in die deutsche „Hall of fame“ seiner Sportart aufgenommen wurde, die derzeit arg darbenden Nürnberger Kufenflitzer wiederbeleben helfen.
Die „Corona“-Saison 2020/21 läuft trotz aller Unwägbarkeiten aus Sicht der NIT-Verantwortlichen dann offensichtlich doch so wenig berauschend, dass rechtzeitig vor der folgenden Spielzeit die Weichen gestellt werden sollen, damit sich das sportliche Fiasko des derzeitigen Tabellenletzten der Süd-Gruppe der PENNY DEL in der Folge-Saison 2021/22 nicht wiederholt. Denn dann greift voraussichtlich erstmals seit 16 Jahren (zuletzt 2006) wieder der Auf- und Abstieg im deutschen Eishockey, der eigentlich bereits für 2021 geplant war, wegen der „COVID-19“-Pandemie in diesem Jahr jedoch ausgesetzt wurde (wobei es unter bestimmten Umständen trotzdem einen Aufsteiger aus der DEL2 geben kann).
Was der Ustorf-Bub im Allgäu gelernt und zunächst als Hobby betrieben hatte, machte er schließlich zu seinem Beruf als Profi. Von Kaufbeuren führte der Weg 1993 in die USA nach Washington D.C. zu den Capitals, die ihn als 53. beim NHL Entry Draft 1992 ausgewählt hatten. Nach 59 NHL-Einsätzen beim US-Hauptstadt-Klub plus weiterer, insgesamt vier AHL- bzw. IHL-Stationen (Portland/Maine, Las Vegas, Detroit und Cincinnati) – unterbrochen von einem einjährigen Gastspiel beim DEL-Klub Berlin Capitals (1997/98), wo zu dieser Zweit auch Vater Peter als Trainer und Manager tätig war – kehrte Stefan Ustorf 2001 nach Deutschland zurück.
Adler Mannheim (bis 2003) und Krefeld Pinguine (damals Deutscher Meister!) bescherten dem Nationalspieler sportlich zunächst weniger das große Glück, doch nach dem Wechsel zu den Eisbären Berlin lief es rund: In acht Jahren durfte Stefan Ustorf acht Titel feiern (= die sechs Meisterschaften 2005/06/08/09/11/12 + einen Pokalsieg 2008 + die European Trophy 2010) und absolvierte mehr als 600 DEL-Spiele!
Zum Zeitpunkt der letzten Meisterschaft mit den Eisbären stand Stefan Ustorf allerdfings schon nicht mehr auf dem Eis. In der Folge eines Checks Anfang Dezember 2011 im Spiel gegen Hannover erlitt er ein Schädel-Hirn-Trauma, das letztlich rückwirkend sein Karriere-Ende mit 37 Jahren bedeutete. Die Verdienste des Stürmers und Kapitäns der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft (insgesamt 128 Länderspiele mit vier Olympia-Teilnahmen 1998/2002/06/10, dem World Cup of Hockey 1996 + 2004 sowie fünf A-Weltmeisterschaften) würdigte sein Berliner Verein 2016 in Form eines Riesen-Trikots mit Stefan Ustorfs Nummer 14 (die im übrigen nicht mehr vergeben werden soll), das unter der Decke der Eisbären-Heimhalle aufgezogen wurde.
Vorfreude bei Ustorf, Fragezeichen um Vorgänger Dietzsch
Von den Erfahrungen des Spielers Stefan Ustorf in den Hauptstädten Berlin (mehr als bei den Capitals später als „Eisbär“) und dazwischen in Washington sowie des Funktionärs (erneut am bundesdeutschen Regierungssitz bei den Eisbären) wollen künftig die Ice Tigers profitieren. Dabei baut NIT-Geschäftsführer Wolfgang Gastner unter anderem auch stark auf die weltweiten Kontakte des 47-Jährigen. Seit Mitte März also trägt mit sofortiger Wirkung der ehemalige Eishockey-Crack aus dem Allgäu, der als Talent ins ferne Nordamerika auszog, um dem Puck und seinen Zielen hinterherzujagen, bei den Nürnberg Ice Tigers die Verantwortung als Sportdirektor.
“Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe und das Vertrauen, das mir Wolfgang und die Nürnberg Ice Tigers schenken. Wir waren nach wenigen Gesprächen schnell auf demselben Nenner, was die weitere Vorgehensweise betrifft“, bestätigte Stefan Ustorf, was zuvor bereits NIT-Geschäftsführer Gastner hervorgehoben hatte. Auch wenn er zuletzt jedes Spiel der Mannschaft gesehen habe, wollte Nürnbergs neuer Sportdirektor keine voreiligen Schlüsse ziehen: „Es kann (…) gefährlich werden, etwas von außen zu beurteilen, weil man schnell die falschen Eindrücke bekommt. Deswegen werde ich zunächst viel und intensiv mit allen Spielern, den Trainern und Mitarbeitern kommunizieren, um vor Ort einen Eindruck zu bekommen, wie der eingeschlagene Weg weitergehen soll.”
Derweil verschwand der Vorgänger erst mal von der Bildfläche und war bislang trotz Nachfragen nicht zu einer Stellungnahme zu bewegen. Den in der Funktion als Sportdirektor freigestellten André Dietzsch will die NIT-Führung indes nach wie vor weder als Torwart-Trainer der Profis noch als Verantwortlichen beim Stammverein EHC 1980 verlieren, wie Geschäftsführer Wolfgang Gastner – durchaus mit einem Schuß Selbstkritik – erklärte: „André macht als Torwarttrainer und Bindeglied zwischen Ice Tigers und EHC 80 Nürnberg einen hervorragenden Job. Wir haben ihm und er hat sich mit der Dreifach-Belastung zu viel zugemutet . . .“
Text: Klaus Meßenzehl
Fotos: Thorsten Schönberger / ISPFD
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